Situationsbeschreibung: Ein Team in der Krise
In einem mittelständischen Unternehmen arbeiten fünf Teammitglieder zusammen, die für ein wichtiges Projekt verantwortlich sind. Das Projekt ist zeitkritisch und es gibt hohen Druck von der Geschäftsführung, Ergebnisse zu liefern. In den letzten Wochen sind zunehmend Spannungen im Team entstanden. Es begann damit, dass zwei Teammitglieder, Sarah und Mark, immer wieder Meinungsverschiedenheiten über die Herangehensweise an bestimmte Aufgaben hatten.
Sarah ist detailorientiert und möchte alles bis ins Kleinste planen, während Mark eher pragmatisch ist und schnellere Entscheidungen treffen möchte. Anfänglich äußerten beide ihre Differenzen respektvoll, aber die Spannungen nahmen zu.
Andere Teammitglieder, wie Anna und Jonas, begannen, Partei zu ergreifen. Anna unterstützte Sarahs präzise Herangehensweise, während Jonas Mark zustimmte. Luca, der fünfte im Team, versuchte, neutral zu bleiben, aber seine Zurückhaltung wurde zunehmend als Desinteresse wahrgenommen. Diese Spannungen führten schließlich dazu, dass die Kommunikation zwischen den Parteien abbrach. Die Teammeetings wurden ineffektiv, und gegenseitige Anschuldigungen nahmen zu. Die Teamleitung bemerkt die Situation, ist aber unsicher, wie sie eingreifen soll.
Bewertung der Situation nach Glasls Konfliktmodell
Das Modell von Friedrich Glasl zur Konflikteskalation bietet eine klare Analyse der verschiedenen Eskalationsstufen eines Konflikts. Es hilft dabei, den Grad der Eskalation zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Glasl teilt Konflikte in neun Eskalationsstufen ein, die in drei Hauptphasen unterteilt sind: win-win, win-lose und lose-lose.
In der beschriebenen Teamsituation lässt sich die Eskalationsstufe folgendermaßen bewerten:
Stufe 1: Verhärtung – Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Sarah und Mark begannen als unterschiedliche Herangehensweisen an die Arbeit. Dies ist die Anfangsphase, in der beide Seiten ihre Positionen vertreten und eine Lösung noch möglich ist. Allerdings haben sich Spannungen aufgebaut.
Stufe 2: Debatte und Polemik – Die Diskussionen eskalierten zu Argumenten, in denen beide Parteien zunehmend emotional wurden und anfingen, sich in Fronten zu teilen. Beide Seiten begannen, sich gegenseitig zu kritisieren und sich in "richtige" und "falsche" Positionen zu verteidigen.
Stufe 3: Taten statt Worte – Hier sind wir in der beschriebenen Situation. Kommunikation wird nun durch Handlungen ersetzt, wie das Zurückhalten von Informationen oder passive Aggression. Luca bleibt außen vor, was als Unbeteiligtheit wahrgenommen wird, und die Spaltung im Team wird tiefer.
Basierend auf Glasls Modell "Welche Stufe würdest Du für diesen Konflikt vergeben?".
Erste Lösungsansätze und Erste Hilfe
Um in dieser Konfliktsituation vorzugehen, müssen Sofortmaßnahmen ergriffen werden, um den Konflikt zu entschärfen und das Team wieder arbeitsfähig zu machen:
Sofortige Kommunikation ermöglichen: Ein erster Schritt wäre, ein Gespräch zu moderieren, in dem alle Parteien ihre Perspektiven darlegen können, ohne unterbrochen oder bewertet zu werden. Dies fördert das Verständnis der jeweiligen Positionen und mindert Frustration.
Mediation einleiten: Es könnte sinnvoll sein, eine externe Mediatorin oder einen Mediator hinzuzuziehen. In einer Stufe-3-Situation könnte eine neutrale dritte Partei helfen, Missverständnisse aufzuklären und eine Basis für den Dialog zu schaffen.
Neutralität wahren: Die Führungskraft sollte die Rolle eines neutralen Moderators einnehmen, der weder Partei ergreift noch Schuldzuweisungen duldet. Wichtig ist, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Teammitglieder sicher fühlen, ihre Meinungen zu äußern.
Strukturen neu definieren: Oft entstehen Konflikte durch unklare Zuständigkeiten oder widersprüchliche Erwartungen. Eine klare Strukturierung der Aufgabenverteilung und regelmäßige Check-ins können helfen, die Dynamik zu verbessern.
Workshop: Konfliktbearbeitung im Team
Um Konflikte im Team langfristig zu vermeiden und ein gesundes Konfliktmanagement zu etablieren, könnte ein Workshop zu diesem Thema organisiert werden. Der Workshop sollte theoretische Grundlagen und praktische Übungen kombinieren. Folgende acht Schwerpunkte bieten sich an, um das Team nachhaltig zu stärken:
Einführung in die Konflikttheorie
Hier wird den Teilnehmern das grundlegende Wissen über Konfliktdynamiken vermittelt. Modelle wie das von Glasl werden vorgestellt, um zu zeigen, wie Konflikte entstehen und sich entwickeln.
Erkennen von Konfliktsignalen
Oft werden erste Anzeichen von Konflikten übersehen. Dieser Teil des Workshops hilft den Teilnehmern, subtile Hinweise auf wachsende Spannungen zu identifizieren, bevor sie eskalieren.
Kommunikationstraining
Ein Schwerpunkt auf gewaltfreier Kommunikation und aktives Zuhören. Die Teammitglieder lernen, ihre Bedürfnisse klar zu äußern und gleichzeitig die Sichtweisen der anderen zu respektieren.
Konfliktlösungstechniken
Verschiedene Methoden der Konfliktlösung werden vorgestellt, wie z.B. die Mediation, das Harvard-Konzept oder Moderationsmethoden. Teilnehmer üben diese in Rollenspielen, um den Umgang mit realen Konflikten zu trainieren.
Teamdynamiken verstehen
Konflikte sind oft das Resultat von unklaren Teamrollen oder unterschiedlichen Persönlichkeiten. Die Teilnehmer lernen, wie sie diese Unterschiede positiv nutzen können und wie Teamdynamiken zur Konfliktprävention beitragen können.
Stress- und Druckbewältigung
In stressigen Zeiten neigen Menschen dazu, konflikthafter zu reagieren. Dieser Teil des Workshops konzentriert sich auf Techniken zum Stressmanagement, um eine ruhigere und konstruktivere Konfliktbearbeitung zu ermöglichen.
Feedbackkultur etablieren
Eine gesunde Feedbackkultur ist entscheidend, um Konflikte zu verhindern. Die Teilnehmer üben konstruktives Feedback geben und annehmen, um Konflikten frühzeitig entgegenzuwirken.
Nachhaltigkeit in der Konfliktbearbeitung
Zum Abschluss geht es darum, langfristige Strategien zu entwickeln. Teams sollten Tools erhalten, mit denen sie auch nach dem Workshop kontinuierlich an ihrem Konfliktmanagement arbeiten können. Hier könnte beispielsweise die Implementierung regelmäßiger Reflexionsrunden besprochen werden.
Fazit
Konfliktbearbeitung ist ein unverzichtbarer Teil des Teambuildings und der langfristigen Effizienz von Arbeitsgruppen. Anhand der Eskalationsstufen von Glasl lassen sich Konflikte strukturiert analysieren, um gezielte Lösungsansätze zu entwickeln. Ein Workshop mit den beschriebenen Schwerpunkten kann helfen, das Team nachhaltig zu stärken und die Grundlage für ein positives Arbeitsklima zu schaffen.
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